Vorgestellt:

Stephan Peller

 seit Januar 2003 Chorleiter
des Polizeichores Essen

Es wird langsam Zeit, der Chronistenpflicht Genüge zu tun. Denn nun schon fast 2 Jahre bestimmt Stephan Peller das musikalische Geschick des Polizeichores Essen. Und das Ergebnis seiner Arbeit kann sich durchaus hören lassen, das ist nicht nur die Meinung von Insidern.

Stephan Peller und die Chorsänger lernten sich im Laufe des Jahres 2002 bei gelegentlichen Probenvertretungen für den berufsbedingt verhinderten Dirigenten Thomas Sander kennen. Von Anfang an verlief die Arbeit harmonisch und in lockerer Atmosphäre, dabei aber effizient und fruchtbar.

Beim Weihnachtskonzert des Jahres 2002, das der Polizeichor in seiner vorübergehenden Wahlheimat, der Erlöserkirche absolvierte, war Stephan Peller schon beteiligt, er spielte die Orgel.

 

Es folgten kleinere musikalische Aufgaben, so als erstes gemeinsames Auftreten in der Öffentlichkeit eine musikalische Gottesdienstgestaltung in der Erlöserkirche. Im Juni 2003 gab es dann den ersten größeren Auftritt bei einem  Chorkonzert in Rhede, in dem der Chor eine durchaus beachtliche Leistung erbrachte. Danach erfolgten Darbietungen verschiedenster Art bis hin zum zweiten Weihnachtskonzert in der Erlöserkirche, das sehr großen Anklang fand.

Stephan Peller arbeitet außerordentlich zielbewusst und sorgfältig. Die Probenzeit wird ökonomisch genutzt, Unnützes beiseite gelassen. Im Mittelpunkt der Probenarbeit steht immer das nächste Konzert, und im Hintergrund die Vorbereitung größerer Aufgaben, wie zum Beispiel das Weihnachtskonzert, das sehr frühzeitig einen Teil der Probenzeit in Anspruch nimmt.

Nachfolgend die wichtigsten Stationen in seinem beruflichen Leben:

Stephan Peller wurde am 18.07.1967 in Gelsenkirchen geboren .

Von 1986 bis 1991 absolvierte er ein Kirchenmusikstudium an der Folkwang Hochschule Essen und schloss dieses im Jahre 1991 mit dem A-Examen ab.

Es folgte von 1991 bis 1993 ein Kapellmeisterstudium an der Folkwang Hochschule Essen, das er von 1993 bis 1997 an der Hochschule der Künste in Utrecht fortsetzte und im Jahre 1997 mit dem Kapellmeisterexamen abschloss.

Von 1993 bis 1995 fungierte er als A-Kirchenmusiker in Gelsenkirchen. Die Schwerpunkte seiner Arbeit lagen in der Leitung der Kantorei und der Entwicklung von Kinderchorarbeit.

Seit 1995 ist er Kantor an der Erlöserkirche in Essen und Leiter des Essener Bachchores und befasst sich dabei vornehmlich mit der Erarbeitung weltlicher und geistlicher Chormusik aller Stilepochen.

Die Kooperation mit der Stiftung Zollverein, der christlich jüdischen Gesellschaft und der Neuen Philharmonie (in Planung: Teilnahme am Schönberg-Zyklus) dokumentieren seine Präsenz in der Kulturlandschaft des Landes NRW.

Zur Zeit plant er die Aufführung eines Kindermusicals in Zusammenarbeit mit Essener Schulen.

Er befasst sich mit Instrumentation, Bearbeitung und Arrangement von Chorwerken in Abhängigkeit von praxisbedingten Möglichkeiten.

Er arbeitet als Dozent an den Musikakademien Trossingen und Heek im Rahmen von Fortbildungen des Deutschen Sängerbundes (DSB) und des Internationalen Arbeitskreises Musik (IAM). Besondere Schwerpunkte dieser Arbeit sind Probendidaktik, Schlagtechnik, Literaturauswahl (unter Berücksichtigung vielfältigster Chorgattungen), Kommunikationsabläufe im Chor (Probenanalysen und Überlegungen zur sozialen Funktion von Chorarbeit in der Gesellschaft).

Außer seiner Tätigkeit als Kantor in der Erlöserkirche Essen und Leiter des Bachchores und des Polizeichores fungiert er als Chordirektor des Philharmonischen Chores Bochum. Es besteht eine regelmäßige Zusammenarbeit mit den Bochumer Sinfonikern, den Bergischen Symphonikern und dem Folkwang Kammerorchester Essen.

Besser als durch das Betrachten von nüchternen Lebensdaten erfährt man über einen Menschen, indem man ihn zu Worte kommen lässt:

 

Nachgefragt:

Bevor Sie im Januar 2003 die musikalische Leitung des Polizeichores Essen übernahmen, hatten Sie den Chor schon anlässlich einiger Aushilfs-Dirigate kennen gelernt. Was wussten Sie vor dieser Zeit über den  Polizeichor? Mir war bekannt, dass es sich beim Polizeichor Essen um einen sehr großen Chor handelt, der sehr viele Menschen erreicht, insbesondere bei seinen Weihnachtskonzerten. Ich kannte ihn als Publikumsmagnet, der Akzente in Essen und weit darüber hinaus setzt. Als mir die Übernahme der Chorleitertätigkeit angetragen wurde, war mir klar, dass eine sehr interessante Arbeit auf mich zukommen würde.


Welche Schwerpunkte setzen Sie bei der Probenarbeit neben der Einstudierung neuer Werke?
Ich versuche, die stimmliche Qualität weiter zu verbessern. Ich strebe einen leichten, geschmeidigen    Piano-Klang an, den zu erreichen  viele Chöre vor Probleme stellt. Gerade ein zahlenmäßig so starker Männerchor wie der Polizeichor muss intensiv an solch einem Vorhaben arbeiten. Dass dies möglich ist, hat der Chor bei seinen Darbietungen anlässlich des Essener Kulturpfad-Festes in der Erlöserkirche bewiesen. Die dort dargebotenen Schubert-Lieder wurden überaus kultiviert vorgetragen. Ein Indiz dafür, dass langfristig eine noch bessere Vortragstechnik erarbeitet werden kann, ist die Tatsache, dass der Chor sich leicht und gern motivieren lässt. Die Sänger sind wiss- und lernbegierig und sehr aufnahmefähig. Allerdings erfährt die Arbeit eine gewisse Beeinträchtigung dadurch, dass durch die Fluktuation, die ständig unterschiedliche Probenbesetzung, verursacht durch Krankheit, private, familiäre oder berufliche Verpflichtungen, sehr häufig bereits Erarbeitetes wieder aufgegriffen und  wiederholt werden muss. Das ist aber eine ganz natürliche Problematik, wie sie sich in allen Laienchören darstellt. Hier ist Geduld gefordert, sowohl bei den Sängern als auch beim Chorleiter, der mit pädagogischem Geschick aufkeimende Ungeduld mancher Sänger auffangen und besänftigen muss.
Der Chor hat, so kann ich feststellen, bisher schon große Fortschritte hinsichtlich diszipliniertem und kultiviertem Singens gemacht.   


Welche Chorliteratur bevorzugen Sie für die Arbeit ?
Für den Männerchor bevorzuge ich die Romantik, für den gemischten Chor ist das Spektrum wesentlich größer. In der romantischen Tradition gibt es die schönsten und großartigsten Kompositionen. Insbesondere Schubert und Brahms sind für mich die herausragenden Vertreter dieser musikalischen Epoche.


Nach nun fast 2 Jahren Zusammenarbeit mit dem Polizeichor Essen: Ist die Chorleitertätigkeit inzwischen zur Routine geworden?
Routine verstehe ich in diesem Zusammenhang nicht als langweiliges Ausruhen auf dem Status des bisher Erreichten. Ich will es so erklären: Durch die bisher gemeinsam geleistete Arbeit ist es möglich, ganz entspannt neue Aufgaben anzugehen. Ich weiß inzwischen ganz genau, was der Chor braucht und wie er in bestimmten Situationen reagiert. Und umgekehrt können die Sänger mich einschätzen, sie wissen, wie ich arbeite. Durch die auf diese Weise gewonnene Ruhe und Gelassenheit können die Chorproben lockerer ablaufen und die Freude an der Arbeit wird größer. Wir sind dabei, die Früchte der bisherigen Zusammenarbeit zu ernten. Ich habe schon darauf hingewiesen, dass der Chor erhebliche Fortschritte in Hinblick auf eine verbesserte Gesangskultur gemacht hat. Er ist disziplinierter und wendiger geworden, lernt schneller. Der Nebeneffekt davon ist auch, dass neue Sänger hinzugekommen sind, gute Stimmen. Routine verstehe ich auch als einen bestimmten Grad des Zusammenwachsens. Und das ist ausgezeichnet gelungen.    


Bei Konzerten unter Ihrer Leitung fungieren Sie als „musikalisch Verantwortlicher“. Erleben Sie diese Rolle als Last oder Bürde? Kennen Sie Lampenfieber angesichts einer tausend- oder sogar fast zweitausendköpfigen Zuhörerschaft hinter Ihrem Rücken?
Zunächst einmal: Ein Dirigent, der in erster Linie nach dem Wohlwollen und der Anerkennung des Publikums heischt und sein Missfallen fürchtet, liegt meiner Meinung nach ganz falsch. Es muss immer oberstes Ziel sein, Freude an der Musik zu haben und diese zu  vermitteln und spürbar zu machen. Das bedeutet: Der Dirigent muss mit der vorhandenen Gruppe von Menschen, mit der er arbeitet, ein Maximum an Leistung anstreben. Und wenn ihm das gelingt, kann er zufrieden sein. Sicherlich aber muss man gelegentlich mit Situationen rechnen, in denen nicht alles so gut gelingt wie geplant. Das ist ganz normal. Wir können nicht immer sehr gute Leistungen erbringen, manchmal sind sie nur gut oder befriedigend. Der Dirigent und die, die unter seiner Leitung stehen, sind halt Menschen, denen Fehler unterlaufen. Sicherlich ist es dann der musikalische Leiter, der zunächst im Mittelpunkt der Kritik steht. Aber wenn das Verhältnis zwischen den Musikern und ihrem Dirigenten von gegenseitigem Vertrauen geprägt ist, wenn er weiß, dass der von ihm geleitete Chor oder das Orchester hinter ihm steht, kann er in der Öffentlichkeit ruhig und sicher auftreten und aufgetretene Fehler eingestehen, Kritik annehmen und selbstkritisch verwerten. Wenn er gute Einstudierungsarbeit geleistet hat, kann er sich der Verantwortung stellen. Das ist der beste Schutz vor Angst und Lampenfieber.


Wie sehen Sie Ihre berufliche Zukunft und die zukünftige Zusammenarbeit mit dem Polizeichor Essen?
Bei vernünftiger Einschätzung der Dinge möchte ich als Zukunftsprognose für meine berufliche Arbeit feststellen: Ich bemühe mich um Weiterentwicklung und Professionalisierung der Chorpädagogik. Ich möchte die Erfahrung, die ich im Umgang mit Chören mache, systematisieren und weitergeben. Ich habe mich auf die Arbeit mit Laienchören und professionellen Ensembles spezialisiert, und dabei möchte ich bleiben, einfach, weil es eine Arbeit ist, die ständiges Engagement und kritische Reflexion erfordert. Die Zusammenarbeit mit dem Polizeichor Essen, dem Philharmonischen Chor Bochum, wie auch dem Bachchor betrachte ich als eine langfristige, weil das eine große und verantwortungsvolle Aufgabe ist und immer mit Entwicklung zu tun hat, mit neuem Lernen. Es bleibt immer spannend. Ich würde die Arbeit beim Polizeichor nicht tun, wenn ich nicht der Überzeugung wäre, dass ich hier auf lange Zeit eine Heimat habe.


Wie sehen Sie das Problem der Überalterung von Chören?
Ich entdecke bei Menschen jenseits der 40 eine viel größere Bereitschaft zu singen als bei jüngeren. Für die Jüngeren ist das Singen heutzutage offenbar nicht modern, es ist nicht „in“. Es gibt da anscheinend eine Hemmschwelle.  Es ist wohl auch so, dass deren meiste Kraft und größter Einsatz von anderen Aktivitäten beansprucht wird: Beruf, eigene Karriere, die es zu begründen oder auszubauen gilt, Gründung einer Familie, Kindererziehung. Aber Menschen in den mittleren Lebensjahren haben in der Regel ihr berufliches und familiäres Lebensziel erreicht, es bleibt Raum für anderes. Ihre Lebenserfahrung lehrt sie, wie wichtig die Pflege von Gemeinschaft ist. Bei jüngeren Menschen ist auch das Verlangen nach individueller Unabhängigkeit größer. Und so fehlt in unserer Zeit der Nachwuchs in den Chören, das „frische Blut“.   


Angesichts der offenbar sinkenden Attraktivität von Männerchor-Musik – siehe Überalterung und Chorsterben: Wagen Sie eine Prognose, ob es den Polizeichor Essen in 10 oder 20 Jahren noch geben wird?
Den Polizeichor Essen wird es auch noch nach dieser Zeitspanne geben. Es ist zwar richtig, auch wir haben ein Nachwuchs-Problem. Aber es werden – so leid dies einem tun mag – in erster Linie die kleinen Chöre sein, die ihre Existenz verlieren. Der Polizeichor als großer und auch attraktiver Chor wird in diesem Prozess gleichsam als Auffangbecken  fungieren und sich durch Qualität, Kontinuität und Originalität behaupten.


Bei diesem Konzert und manchen anderen auch dirigieren Sie nicht nur einen oder zwei Chöre, sondern auch ein Orchester. Sind Sie auch mit dieser Arbeit vertraut und wie sehen Sie den Unterschied zur Chorleiterarbeit?
Das Orchester-Dirigat war Teil meiner beruflichen Ausbildung. Ursprünglich habe ich  das Fach Kirchenmusik studiert, dieses umfasste auch die Sparte „Chorleitung“. Danach habe ich dann über mehrere Jahre ein Zusatzstudium „Orchesterleitung“ absolviert und abgeschlossen.

Die klangliche Grundstruktur des Orchesters ist eine ganz andere als die des Chores. Der Chorsatz ist in der Regel nur vierstimmig. Der Dirigent konzentriert sich auf eine Gruppe singender Menschen, dabei werden auch Artikulation, Sprache und Atmung trainiert. Das Orchester hat ein ganz anderes Klangbild. Die Arbeit erfordert sehr hohe Aufmerksamkeit, denn die Orchester-Partitur ist komplexer, nicht nur vom Blick aufs Notenblatt, sondern auch von der Probentechnik her. Die unterschiedlichen Instrumentbereiche gilt es klanglich auszugleichen. Die Probenarbeit mit dem Orchester läuft sehr viel schneller ab als mit dem Chor.      


Beim Weihnachtskonzert dieses Jahres vermisst vermutlich so mancher Besucher so populäre und gängige Melodien wie zum Beispiel das „Jerusalem“. Wie begründen Sie die Programmauswahl, für die Sie  sich als musikalisch Verantwortlicher in letzter Instanz entscheiden?
Zunächst einmal: Kompositionen wie das als Beispiel zitierte „Jerusalem“ sind gewiss keine minderwertige Musik, nur, weil sie einem breiten Publikum gefallen und nicht nur auf eine elitäre Zuhörerschaft zielen. Durchaus künstlerisch und niveauvoll spielt diese Musik mit Gefühlen. Es ist durchaus richtig, solche Musik bei Weihnachtskonzerten vorzutragen, allerdings  passt sie nicht so recht in das Konzept des Weihnachtskonzerts 2004. Es ist das Jubiläumskonzert des Polizeichores Essen und zum ersten Mal gastiert er in der neu errichteten Philharmonie. Das ist für mich Anlass, ein Programm anzubieten, das sehr hohen künstlerischen Ansprüchen genügt. Auf dem Programm dieses Konzertes steht zum Beispiel der Weihnachtsliederzyklus von Peter Cornelius, der von Solisten, Orchester und Männerchor dargeboten wird. Dies ist in meinen Augen hochkarätige Musik. Es geht hier um eine Gratwanderung zwischen Emotionalität und höchstem musikalischem Anspruch. Diese Musik ist einfach gut geschrieben, hervorragend komponiert. Es sind wunderbare Texte. So etwas spricht die Zuhörer an, weil es Musik ist, die ans Herz geht. Sie ist anspruchsvoll komponiert, musikalisch reich und vielfältig. Vielleicht wäre aber auch die bekannte alte Weisheit eine richtige Antwort: „Über Geschmack sollte man nicht streiten.“

Herr Peller, wir vom Polizeichor wünschen Ihnen und uns viel Erfolg bei diesem Konzert und hoffen wie Sie auf eine sehr lange erfolgreiche Zusammenarbeit.

Ulrich Geißler